29. Dezember 2017
Endlich geht es los. Sehr oft kam mir in den zwei Jahren Vorbereitung der Satz „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,“ aus Hermann Hesses „Stufen“ in den Sinn.
Schon fast ein Zauber – der ICE von Ulm nach Frankfurt zum Flughafen ist pünktlich. Der Zug ist rappelvoll. Zum Glück habe ich mir einen Sitzplatz reserviert. Ich schaue aus dem Fenster und genieße nochmals einen Blick auf die mit Schnee überzuckerte Schwäbische Alb. In Stuttgart ist es mit der Zauberei der DB auch schon vorbei – es geht dort erst nach 20 Minuten Aufenthalt weiter. Grund ist eine technische Störung am Zug. Laut Durchsage der Zugbegleiterin dürfen wir nicht schneller als 200 km/h fahren. Ich vertraue darauf, dass die „technische Störung“ das weiß und die gefahrene Geschwindigkeit des Zuges richtig einschätzt.
In Frankfurt am Flughafen ohne weitere Zwischenfälle angekommen, begebe ich mich mit meinem Rucksack und den Umhängetaschen auf die Wanderschaft durch die langen Gänge. Die Beschilderung ist vorzüglich. Bei der Gepäckaufgabe läuft alles prima. Meinen Rucksack bin ich erstmal los. Mit meinen beiden Taschen geht es weiter durch die Hallen in Richtung Check-in. Nach der Kontrolle des Handgepäcks schon die erste kleine Aufregung für mich – mein Pass und die Boardingkarte sind verschwunden. Aufgrund meiner Fotoausrüstung war der Inhalt des Handgepäcks auf mehrere Boxen verteilt gewesen. In einer diesen Boxen waren auch die beiden vermissten Schriftstücke gelegen. Der eifrige Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hatte die Box mit meinen Unterlagen „als leer“ betrachtet und auf das Förderband gegeben. Nach 5 Minuten Suche konnte mir eben dieser Mitarbeiter Pass und Boardingkarte wieder aushändigen. Gefunden hatte er diese draußen auf dem Förderband vor der Handgepäckkontrolle. Die Anmerkung „das alles haben sie schon draußen verloren“ habe ich wohlwollend zur Kenntnis genommen.
Trotz Schneefalls beginnt das Flugzeug Punkt 20:55 Uhr zu rollen. Nach einiger Zeit sind wir an der Startbahn angelangt, neben welcher sich knapp 10 Schneeräumfahrzeuge mit gelben Blinklichtern postiert haben. Die Rollbahn ist frei von Schnee – hervorragende Arbeit, so kenne ich das vom Winterdienst! Ich muss nirgends anrufen, um mich zu beschweren 😉
Das Flugzeug hebt ab, und ich denke wieder an Hermann Hesse: „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“.
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
von Hermann Hesse